Das Schmerzgedächtnis löschen

Moderne Physiotherapie gegen chronische Schmerzen

Rund 10 Millionen Menschen leiden in Deutschland unter chronischen Schmerzen. Besonders häufig sind Kopf-, Rücken- und Gelenkschmerzen. Bei knapp zwei Millionen Betroffenen ist der Schmerz – unabhängig vom Auslöser – bereits zu einer eigenständigen Erkrankung geworden. Im Nervensystem hat sich ein sogenanntes Schmerzgedächtnis gebildet. Selbst eine leichte Berührung kann dann schmerzhaft sein, da Schmerzen auf Dauer das Schmerzempfinden steigern. „Mit der richtigen Therapie kann das Schmerzgedächtnis aber wieder gelöscht bzw. überschrieben werden“, erklärt Ute Repschläger, Vorsitzende im Bundesverband selbstständiger Physiotherapeuten – IFK e. V. Die Physiotherapie spielt neben Medikamenten eine wichtige Rolle in der Schmerzbehandlung und kann vielen Betroffenen einen Ausweg aus der Schmerzspirale bieten.


Schmerzen werden als chronisch bezeichnet, wenn Betroffene länger als sechs Monate dauernd oder wiederkehrend darunter leiden. Normalerweise ist Schmerz ein Warnsignal des Körpers: Schmerzrezeptoren reagieren auf bedrohliche Reize und leiten sie zum Gehirn, wo die Schmerzwahrnehmung und -verarbeitung stattfindet. Es werden schmerzlindernde Endorphine ausgeschüttet. Ständige Schmerzreize verändern jedoch die Nervenzellen und das System, so dass selbst schwache Reize wie Wärme, Dehnung oder Berührung starke Schmerzen auslösen können. Hat sich erst ein Schmerzgedächtnis gebildet, kann das Gehirn sogar selbst Schmerzsignale produzieren. Ute Repschläger: „In der Schmerztherapie geht es vor allem darum, die Spirale aus Schmerzerfahrung, Anspannung und Angst vor neuen Schmerzen zu durchbrechen.“ Betroffene erlernen Strategien, um Alltagssituationen eigenständig zu bewältigen.


Chronische Schmerzpatienten leiden doppelt: Eine Studie der Universität Alberta (Kanada) hat ergeben, dass chronischer Schmerz nicht nur die körperliche Beweglichkeit beeinträchtigt, sondern auch die Gehirnleistung. Betroffene haben z. B. Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen. Eine Schmerztherapie kann daher die Lebensqualität enorm verbessern – auch wenn die Chronifizierung schon lange besteht. Besonders Physiotherapie bietet Betroffenen die Möglichkeit, Schmerzen aktiv zu beeinflussen. Durch Übungen, die den Schmerz vergessen lassen oder ausblenden, wird das Schmerzgedächtnis überschrieben. Zudem kann eine schmerzbedingte Medikamenteneinnahme drastisch reduziert werden.


Da Betroffene durch die oft langjährige Erkrankung das Vertrauen in ihre körperliche Leistungsfähigkeit verloren haben, beginnt eine Physiotherapie mit angenehmen Bewegungserfahrungen und Übungen zur Körperwahrnehmung. Das können z. B. sanfte Techniken aus der Atemtherapie oder Gleichgewichtsübungen sein. Um muskuläre Dysbalancen zu beseitigen, werden verkürzte Muskeln gedehnt und die schwache Muskulatur gekräftigt. Damit die Stabilität langfristig gewährleistet wird, ist es wichtig, entsprechende Alltagsbewegungen anzupassen. Der Physiotherapeut hebt vor allem positive Faktoren in den Vordergrund. So können Hobbys oder das, was der Patient gut kann, genutzt werden, um die Negativschleife zu durchbrechen. „Entscheidend ist ein ganzheitlicher Ansatz“, so Ute Repschläger, „die Beratung zum alltäglichen Umgang mit dem Schmerz, die Anleitung zum aktiven Bewegen und ein Entspannungsprogramm.“ Sinnvoll sind Entspannungsverfahren wie Yoga, progressive Muskelentspannung oder autogenes Training. Zudem können Massagen die Muskulatur und das Bindegewebe lockern, Wärme-Anwendungen die Durchblutung verstärken.


Neben der Körperwahrnehmung sollten Schmerzpatienten Bewegung, Kraft und Ausdauer trainieren: Bewegung erhält die Funktionsfähigkeit von Muskeln, Sehnen und Gelenken und fördert die Ausschüttung körpereigener Schmerzhemmstoffe. Mit steigender Ausdauerfähigkeit wird zudem die Schmerzreizschwelle angehoben, so dass Reize nicht mehr so intensiv wahrgenommen werden.

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