Kassen kürzen Heilmittel-Rechnungen

Therapiepraxen durch Formfehler in Not

Weil der Arzt auf dem Rezept versehentlich ein Kästchen falsch ankreuzt, erhalten Physiotherapiepraxen kein Geld für die wirksam durchgeführte Behandlung ihrer Patienten. Die Rechnung wird von der Krankenkasse einfach gekürzt – ohne eine Möglichkeit, den Formfehler vom Arzt beheben zu lassen. Leider kein Einzelfall: Deutschlandweit gehen besonders AOK und einzelne BKKs rigoros dazu über, Heilmittel-Verordnungen auf kleinste Fehler zu prüfen und Vergütungen einzubehalten. Einer Physiotherapiepraxis aus NRW wurden in einem Monat sechs ihrer insgesamt 85 Rechnungen gekürzt, was einen Verlust von 532 Euro bedeutet. „Wir möchten die Krankenkassen zu einem partnerschaftlichen und fairen Verhalten aufrufen“, fordert Ute Repschläger, Vorsitzende im Bundesverband selbstständiger Physiotherapeuten – IFK e. V. „Es kann nicht Ziel einer guten Patientenversorgung sein, zahlreiche Therapiepraxen in Not zu bringen und für geleistete Arbeit nicht zu bezahlen. Das gehört sich nicht.“


Das Ausstellen einer Heilmittel-Verordnung ist komplex und fehleranfällig. Viele Details müssen vom Arzt beachtet und vom Therapeuten vor Behandlungsbeginn geprüft werden: Diagnose mit Leitsymptomatik, Indikationsschlüssel, Therapiedauer, Verordnungsmenge, medizinische Begründung außerhalb des Regelfalls etc. Doch was passiert, wenn sich in dem vorgesehenen Indikationsschlüssel für z. B. Rückenbeschwerden ein Fehler einschleicht und der Arzt statt WS2f versehentlich WS2a notiert? Dann erklärt die AOK, dass das Heilmittel Massagetherapie bei dieser Indikation nicht verordnungsfähig sei und behält die eigentlich fälligen 84 Euro ein. Wegen eines kleinen Buchstabens werden alle sechs erbrachten Behandlungen des Patienten nicht bezahlt. Ähnliches gilt für die fehlerhafte Bezeichnung eines Heilmittels. Kurios: Hier kann schon ein einzelner Strich, z. B. „KG/ZNS“ statt „KG-ZNS“, zum Vergütungsverlust führen. In einem weiteren Fall weigerte die AOK sich, 30 Behandlungen zu zahlen, weil die Unterbrechungsfrist der Verordnung um mehr als 19 Tage überschritten wurde. Obwohl der Arzt den notwendigen Krankenhausaufenthalt mit Unterschrift und Stempel auf der Verordnung bestätigt hat, behielt die Kasse 644 Euro ein.


Die Deutsche BKK behält z. B. den Rechnungsbetrag der kompletten Verordnung ein, wenn der Arzt statt Folgeverordnung versehentlich das Kästchen Erstverordnung ankreuzt – obwohl die Behandlung einwandfrei war und dadurch in keiner Weise beeinflusst werden konnte. In solchen Fällen sollte der Arzt die Verordnung rückwirkend korrigieren, doch einige Krankenkassen verweigern Physiotherapeuten die Chance, den Formfehler ändern zu lassen. Hinzu kommt, dass viele Ärzte verständlicherweise genervt sind, wenn sie ständig kleinste Fehler auf ihren Rezepten persönlich korrigieren müssen.


Ute Repschläger: „Die Ärzte haben wegen der Fehler keine Sanktionen zu befürchten. Leidtragende sind die Physiotherapeuten, die für erbrachte Leistungen keine Vergütung erhalten.“ Nach Ansicht des IFK ist das Verordnungssystem – trotz bestehender Prüfpflichten des Therapeuten – stark überholungsbedürftig. Für rechtliche Grenzfälle müssen Regelungen getroffen werden. Zudem sollten die Krankenkassen die Hektik im Praxisalltag von Ärzten berücksichtigen und Kulanz bei der Überprüfung von Verordnungen zeigen. Zumindest muss der Physiotherapeut die Möglichkeit haben, Fehler des Arztes nachträglich korrigieren zu lassen.

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