Klettern aktiviert Nervenzellen

Therapeutisches Klettern vielseitig einsetzbar

Bochum, 31. Juli 2012. Als Trendsport ist Klettern bekannt und weit verbreitet. Das therapeutische Klettern kommt in Deutschland bisher jedoch erst zögerlich zum Einsatz. Völlig zu Unrecht: Studien belegen positive Effekte auf Koordination, Körper¬wahrnehmung, Muskel¬stabilisierung und Motorik. Zudem gehen Neurologen davon aus, dass spezielle Kletterübungen das Gehirn anregen, ruhende Nervenzellen zu aktivieren und kranke Zellen zu ersetzen. Somit kann eine Kletter-Therapie nicht nur bei Rückenschmerzen oder Gelenkverletzungen helfen, sondern z. B. auch nach einem Schlaganfall. „Therapeutisches Klettern stellt eine optimale Ergänzung zur klassischen Physiotherapie dar“, erklärt Ute Repschläger, Vorsitzende des Bundesverbands selbstständiger Physiothe-rapeuten – IFK e. V.



Anders als beim Sportklettern geht es beim therapeutischen Klettern nicht immer hoch hinaus oder um die Bewältigung einer möglichst schwierigen Route. Vielmehr werden an neigbaren Therapiewänden oder im sogenannten Boulderbereich auf geringer Höhe gezielte Übungen durchgeführt. Durch verschiedene Greif-, Tritt- und Zugbewegungen wird das Zusammenspiel von sensorischen und motorischen Impulsen gefördert. Die tiefensensiblen Reize verhelfen so zu einem besseren Gleichgewicht oder einer Haltungsanpassung der Muskulatur. Überkreuzte Bewegungen fördern zudem die Verschaltung zwischen den Hirnhälften. „Dies ist vor allem für Patienten mit neurologischen Störungen entscheidend, z. B. nach einem Schlaganfall“, so Ute Repschläger.

Schlaganfall-Patienten können nicht auf automatisierte Bewegungsmuster zurückgreifen, sie müssen jede Bewegung bewusst kontrollieren. Hier hilft das therapeutische Klettern, wie eine Studie  zeigt: Bereits nach sechswöchiger Klettertherapie konnten Patienten den Arm der gelähmten Körperseite besser gebrauchen und ihr Gewicht besser auf das betroffene Bein verlagern. Zudem wurden ihre Bewegungen flüssiger. Untersuchungen belegen auch bei Multipler Sklerose (MS) oder bei Kindern mit sensomotorischen Defiziten gute Erfolge.     MS-Patienten erhalten z. B. mehr Kontrolle über ihre Muskeln, weil das Zusammenspiel von Bewegung, Koordination und Konzentration gezielt geschult und die Körperspannung aktiviert wird.



Therapeutisches Klettern bietet eine Vielzahl an Trainingsmöglichkeiten. Im motorischen Bereich kann z. B. Körperspannung, Rumpfstabilität und Koordination geschult werden. Im Bereich Wahrnehmung wird hingegen Gleichgewicht, Konzentration oder Tiefen- und Oberflächensensibilität gefördert. Ein abwechslungsreiches Training fordert den gesamten Körper. Diesen ganzheitlichen Körpereinsatz mit speziellen Bewegungsmustern gibt es an kaum einem anderen Trainingsgerät. Ute Repschläger: „Je nach Erkrankung werden alltagsrelevante Bewegungsübergänge trainiert, Beinachsen oder Schultergelenke stabilisiert, die beiden Körper- und Gehirnhälften verknüpft oder die Rückenmuskeln gekräftigt.“ Bei Kindern mit Wahrnehmungsstörungen wirkt Klettern wie eine sensorische Integrationstherapie, da die Basissinne Gleichgewicht, Körper- und Tastsinn aktiviert werden. Zudem ist der Motivationsfaktor enorm.

Klettern wird in der Therapie und Rehabilitation eingesetzt, aber auch zur Prävention. Es beugt Haltungsschwächen und Muskelverspannungen vor, regt das Herz-Kreislauf-System an und vermittelt daneben noch Spaß an der Bewegung.
 

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